
Szene 3 – Neustraße und Boggeter Promenade
~ Die Zeit von 1815 bis zum 1. Weltkrieg ~
Als das Fürstbistum Münster 1802/1803 endete, wurde aus dem westlichen Münsterland ein neuer Staat – das Fürstentum Salm-Salm. Mit diesem neuen Territorium wurde die Adelsfamilie Salm-Salm für die Verluste linksrheinischer Gebiete entschädigt, welche durch die Französische Revolution verlorengegangen waren. Bocholt war jetzt für kurze Zeit offizieller Regierungssitz eines souveränen europäischen Staates.
Allerdings nur bis 1810 Napoleon Bonaparte das Fürstentum annektierte und in das Französische Kaiserreich eingliederte. 1813 beendeten die preußischen Truppen die französische Regentschaft und ab 1815 gehörte Bocholt zum Königreich Preußen, Provinz Westfalen.
Die industrielle Revolution kam spät in Bocholt an. 1852 errichtete der Fabrikant August Kornelius Tangerding die erste Dampfmaschine in seiner Baumwollweberei, weitere folgten. Die günstige und schnellere Produktion machte das Weben in Heimarbeit, wie es über Jahrhunderte üblich war, unrentabel. Durch den Wegfall des Zuverdienstes waren die Heimweber gezwungen, in den Fabriken zu arbeiten. Obwohl die Arbeitsbedingungen katastrophal waren, wuchs die Stadt rasant durch den Zuzug immer neuer Fabrikarbeiter. Lebten 1815 gerade einmal 3.500 Menschen in Bocholt, waren es 1858 schon über 5.000 und 1905 fast 24.000 Einwohner. Bis zum ersten Weltkrieg entstanden in der Stadt 114 Textilfirmen.
Bereits in den 1840er Jahren gab es erste Pläne, das Ruhrgebiet mit den Niederlanden – über Bocholt – mit einer Eisenbahnstrecke zu verbinden. Jedoch sollte es noch bis 1878 dauern, bis die erste Bahnstrecke von Bocholt nach Wesel eingeweiht wurde. Weitere Strecken folgten: nach Winterswijk, Empel, Borken und nach Aalten-Lichtenvoorde.
Mit dem steten Wachstum der Stadt kam auch stetig steigender Wohlstand und der Wunsch nach Mobilität. Der Bocholter Tischlermeister Josef Nienhaus, genannt Jupp Schnigge, wettete vor dem Jahr 1900 öffentlich, dass er der Erste sein würde, der durch Bocholt mit einem Automobil fahren würde. Als die neuen Fahrzeuge immer verbreiteter wurden besorgte er sich kurzerhand ein Fahrgestell samt Rädern aus Frankreich und versteckte zwei Freunde unter der Motorhaube des motorlosen Automobils, um seine Wette zu gewinnen.
Ein Jahrmarkt im 19. Jahrhundert:
- mit einer Dampfmaschine, die eine Orgel antreibt
- mit Karussell und Lauftschaukel, wie sie zu dieser Zeit üblich waren
- mit einem Webstuhl aus einer der zahlreichen Bocholter Textilfabriken
- mit einem Jahrmarkt- Programm zum „Amüsement“ der Gäste