
Szene 2 – Markt
~ Die Zeit von Mitte des 15. Jahrhunderts bis etwa 1810 ~
Im Zentrum der Stadt wohnten die wohlhabenden Kaufleute und Handwerker, so auch der Goldschmied und Kupferstecher Israhel van Meckenem mit seiner Frau Ida. Seine Kupferstiche waren in ganz Europa berühmt, noch heute sind 550 davon in den Museen dieser Welt zu finden. Meckenem arbeitete auch als Verleger für Dürer, Holbein und andere und machte Bocholt in der Kunstwelt seiner Zeit berühmt. Das Grab des Künstlers befindet sich in der Kirche St. Georg.
Zu Beginn des 17. Jahrhunderts war die Stadt auf dem Höhepunkt ihrer Selbstverwaltung angekommen. Der beginnende Absolutismus kam auch im Münsterland an und so versuchten die Fürstbischöfe, die gesamte Macht auf sich zu vereinen. Gegen diese Bevormundung wehrten sich die Bocholter. Um ein Zeichen zu setzen, planten sie ein neues prachtvolles Rathaus als Symbol städtischen Selbstbewusstseins. 1618 begann der Bau des neuen Rathauses und schon vier Jahre später wurde das ehrgeizige Projekt fertiggestellt.
Der Zeitpunkt war unglücklich. 1618 begann der 30-jährige Krieg, in dessen Wirren auch Bocholt hineingezogen wurde. Mehrfach wurde die Stadt belagert, beschossen und besetzt. Die Söldner, egal auf welcher Seite sie im Krieg standen, waren gefürchtet und verwüsteten die Stadt und das gesamte Umland.
1635 besetzten hessische Truppen Bocholt und begannen damit, die vorhandenen Festungsanlagen nach modernsten Plänen auszubauen. Hierzu bedienten sie sich der Einheimischen, die Zwangsarbeit leisten mussten. Binnen weniger Jahre wurde Bocholt zu einer uneinnehmbaren Festung.
Erst als 1650, zwei Jahre nach Ende des großen Krieges, der neue Fürstbischof von Münster ein hohes Lösegeld für die Stadt zahlte, rückte das hessische Söldnerheer ab. Jedoch nicht ohne zuvor die Bocholter erneut zur Zwangsarbeit heranzuziehen, um die mächtigen Festungsanlagen wieder niederzureißen. Bocholt sollte nie wieder eine funktionierende Befestigung erhalten.
Schon während des Krieges schwand die bürgerliche Macht in der Stadt. Es fehlte an Geld und Einfluss, um sich weiter gegen den Fürstbischof in Münster zu behaupten. Dieser nutzte die Situation, um die alten Selbstverwaltungsrechte zu beschneiden. Es folgte das Ende der freien Ratswahl und vieler anderer Vorteile, welche die Bocholter in den Jahrhunderten zuvor zu Wohlstand gebracht hatten. Der Grundsatz Cuius regio, eius religio (wessen Land, dessen Religion) wurde nun vom Bischof durchgesetzt. Wer sich nicht zur römisch-katholischen Konfession bekannte, musste das Land verlassen. So auch der Glasmaler Jan van Lintelo, der unter anderem die aufwendigen Bilderfenster des Rathauses in seiner Werkstatt fertigte.
Die Entvölkerung von Stadt und Umland in Folge der Kriege, die restriktive Innenpolitik der Fürstbischöfe und der Zusammenbruch des Handels stürzten Bocholt für die kommenden zweihundert Jahre in Armut. Viele Handwerker und Bauern der Stadt waren auf ein weiteres Zubrot angewiesen, um zu überleben. So standen bald in fast jedem Haus Webstühle, an denen nach Feierabend bei schlechtem Licht aus Baumwolle oder Leinen Stoffe gewoben wurden.